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Stress ist das gesellschaftliche Phänomen unserer Zeit. Stress mindert die Lebensqualität und zieht sich wie eine Seuche durch die Büros vieler Unternehmen.
Was Sie tun können, um mit weniger Stress mehr zu erreichen. Wenn ich Menschen frage: „Wie sieht Erfolg im nächsten Jahr für Sie aus?“, dann antworten viele: „Ich wünsche mir weniger Stress!“
Stress ist das gesellschaftliche Phänomen unserer Zeit. Stress mindert die Lebensqualität und zieht sich wie eine Seuche durch die Büros vieler Unternehmen. Stress raubt Kraft und Nerven – und um ehrlich zu sein: Menschen unter Stress zeigen sich nicht von ihrer besten Seite (man denke nur an die Gebärden gestresster Autofahrender auf dem Mittleren Ring in München).
Wir leben in einer komplexen, teilweise widersprüchlichen und unsicheren Welt. Auch wenn wir Menschen es nicht gerne wahrhaben: unsere Fähigkeit, bewusst Informationen aus unserer Umwelt zu verarbeiten, ist extrem schwach. Wir benötigen sie, um eine Tabellenkalkulation zu verstehen oder um im Internet nach etwas zu suchen. Die Bandbreite des bewussten Denkens beträgt bei Menschen lediglich 60-100 Bit pro Sekunde. Das entspricht der durchschnittlichen Lesegeschwindigkeit. Sie bezweifeln das? Dann hören Sie ein Hörbuch, lesen Sie gleichzeitig einen Zeitungsartikel und versuchen Sie später, beides vollständig wiederzugeben.
Die Datenverarbeitungskapazität des menschlichen Unterbewusstseins beträgt 11,2 Millionen Bit an Daten pro Sekunde. Sie ist 140.000x höher als unser bewusstes Denkvermögen. Das entspricht ungefähr dem Verhältnis zwischen dem Gewicht eines Spatzen und dem eines Elefanten. Der winzige Spatz ist in diesem Vergleich unser rationales, zielgerichtete Bewusstsein. Und der Elefant steht für unser unbewusstes Denken und Handeln.
Sie fragen sich, was das mit Zielen zu tun hat? Die Antwortet heißt: selektive Wahrnehmung.
Dazu eine kurze Geschichte: Als meine Frau schwanger war, sagte sie eines Tages: Wir müssen einen Kinderwagen kaufen. Kinderwagen? Ich hatte im Münchner Gärtnerplatzviertel noch nie einen Kinderwagen gesehen. Aber kaum ging ich das nächste Mal auf die Straße, wurde ich schier alle zehn Meter von einem Elternteil mit Kinderwagen überrollt. Es wimmelte von Kinderwagen verschiedenster Formen und Farben! Das meiste um uns herum kommt erst in unserem Bewusstsein an, wenn wir uns dafür interessieren. Das Gehirn ist ein assoziatives, Muster erkennendes Organ. Wenn unser bewusstes Denken dem Unterbewusstsein einen Suchauftrag erteilt, dann screent dieses alle aufgenommenen Informationen auf das gesuchte Objekt hin ab. Das erklärt, warum Kinder nach einem unheimlichen Film plötzlich überall die Schatten von Ungeheuern sehen. Ganz viele Stress-Symptome lassen sich damit erklären, wie wir als Menschen unser Bewusstsein und unser Unterbewusstsein synchronisieren. Wenn wir uns zu viel vornehmen, ständig die Themen wechseln, weil wir von einem Termin zum nächsten hecheln und keine klaren Prioritäten haben, dann ist der Verstand überfordert, unsere Gedanken flattern aufgeregt hin und her und wir ermüden in Aktionismus, ohne das enorme Potenzial unseres Unterbewusstseins auszuschöpfen. Denn dieses braucht eine klare Richtung. Dann aber arbeitet es kraftvoll und beharrlich – wie ein Elefant. Wenn Sie sich abends beim Schlafengehen eine Frage stellen und am nächsten Morgen beim Duschen fällt Ihnen eine Antwort dazu ein, dann hat das Unterbewusstsein Ihre bisherigen Eindrücke und Erfahrungen durchleuchtet und miteinander verknüpft. Und wenn es etwas Stimmiges findet, dann schiebt es diese Erkenntnis nach vorne in Ihren präfrontalen Cortex.
Das funktioniert am besten, wenn Sie wissen, wohin Sie wollen. Und plötzlich führt der Verstand Sie durch die Irrungen und Wirrungen des Lebens.
Was nun brauchen „Spatz“ und „Elefant“, um ihr gemeinsames Potenzial richtig auszuschöpfen?
Fokus: Ein Richtwert besagt, dass ein Mensch sich nicht auf mehr als drei wichtige Dinge gleichzeitig fokussieren kann. Deshalb sieht der agile Zielrahmen der OKR (Objectives & Key Results) vor, dass kein Bereich und kein oder keine Mitarbeiterin mehr als drei Prioritäten gleichzeitig verfolgen sollte. Google ist damit seit Jahren sehr erfolgreich. Fokus heißt aber auch, den Geist nicht mit überflüssigen Informationen zu belasten, die außerhalb unseres Einflussbereiches liegen. News und Gerüchte sind der Tod für jedes effektive Handeln.
Inspirierende Ziele: Ein Ziel ist ein angestrebter und erstrebenswerter Zustand. Weil unser Gehirn vor allem ein bildverarbeitendes Organ ist, sind bildhafte Ziele jene mit der stärksten kognitiven Wirkung. Wer eine klare Vorstellung hat, die positive Emotionen auslöst und mit einem klaren Sinn verbunden wird, aktiviert damit sein oder ihr unbewusstes Potenzial. Das Gehirn sucht im Stillen nach Hinweisen und Lösungen und ermutigt dazu, sich anzustrengen, auch wenn es mal schwer wird.
Messbare Akzeptanzkriterien: Unser Gehirn ist ein assoziativer Geschichtenerzähler, der uns gerne etwas vormacht und die Realität ex post verfälscht (das merkt man daran, wenn alte Ehepaare völlig unterschiedlich von ein und demselben Ereignis erzählen). Deshalb ist es wichtig, zu Beginn objektiv messbare Kriterien festzulegen, woran wir erkennen werden, wenn der angestrebte Zielzustand erreicht wurde.
Schlüsselaktionen und -ergebnisse: Wenn wir ein Ziel verfolgen, sollten wir uns viel Mühe machen zu überlegen, welche nächsten Zwischenschritte die Wahrscheinlichkeit maximieren, dass wir das Ziel tatsächlich erreichen. Im Fall eines Ziels wie körperliche Fitness könnten das regelmäßiger Sport, weniger Alkohol und eine ausgewogene Ernährung sein. Die damit verbundenen Verhaltensänderungen müssen so lange eingeübt werden, bis unser Unterbewusstsein übernimmt und sie zu einer „Routine“ werden. Wenn wir jeden Morgen laufen wollen, sollten wir den Wecker an einen Ort legen, der uns zwingt aufzustehen. Die ersten Wochen müssen wir uns täglich überwinden und irgendwann tun wir es dann, ohne weiter nachzudenken.
Iteratives Vorgehen: Kontinuierliches Ausprobieren, Überprüfen und Lernen. Das Leben konfrontiert uns immer wieder mit Faktoren, die wir im Voraus nicht bedacht haben. Deshalb sollten wir Abweichungen von unseren Erwartungen nicht als „Störung“ betrachten, sondern als interessanten Grund zur Analyse und Selbstreflexion. Die agile Vorgehensweise verlangt, in regelmäßigen Zyklen den Fortschritt zu überprüfen und zu überlegen, welche nächsten Aktionen und Ergebnisse die größte Wirkung auf das Ziel haben werden. Vielleicht stellen wir fest, dass es im Winter besser ist, das Rudergerät im Keller zu nutzen, anstatt uns durchs Schmuddelwetter zu quälen.
Die agile Denkweise bestätigt auf verblüffende Weise neue Erkenntnisse der Neurowissenschaft. Sie funktioniert im privaten und im beruflichen Bereich, für uns selbst und wenn wir mit Teams gemeinsam Ziele erreichen wollen. Der Schlüssel zu einem positiven Lebensgefühl und weniger Stress ist, den Fokus auf wenige ausgewählte Ziele zu lenken. Wenn wir uns aus wahrem Interesse Schritt für Schritt fortbewegen, lenken wir unseren Fokus auf konkrete Ergebnisse, entwickeln eine experimentelle Denkhaltung und lernen, auch mit unvorhergesehenen Dingen souverän umzugehen.
Veröffentlicht in Neurosoziale Führung am 13.09.2023
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