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Leadership Development

Neurosoziale Führung – Ein fachlicher Ratgeber


Neurosoziale Führung verbindet Führung mit Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft und Sozialpsychologie. Durch die Entwicklung eines tiefen Verständnisses für die Bedürfnisse und Verhaltensweisen von sich selbst, Mitarbeitenden und Geschäftspartner:innen unterstützt neurosoziale Führung Menschen in Führungsrollen dabei, effektivere und positivere Arbeitsbeziehungen aufzubauen.

Der Ansatz betrachtet Führung als einen wechselseitigen Prozess, bei dem Führungskräfte und Mitarbeitende miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten, um wünschenswerte Ziele zu erreichen. Dadurch werden nachhaltig positive soziale Dynamiken geschaffen, die die Leistung, Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden verbessern und eine positive Arbeitskultur fördern.

Ansatz und Kernaspekte


Der Einsatz neurosozialer Führung zielt darauf ab, mehr Eigenverantwortung, Motivation, Ergebnisorientierung und Produktivität zu bewirken. Neurosoziale Führung ist ein agiler und situativer Führungsansatz für Personen, die in einem komplexen Umfeld Führungsaufgaben wahrnehmen. Der Ansatz analysiert und nutzt soziale Dynamiken, um leistungsstarke, resiliente Teams und Gemeinschaften zu formen – und somit die Wirksamkeit von Führung zu stärken. Dies ist insofern ein zentraler Erfolgshebel, da soziale Dynamiken bis zu 80% der Leistungsfähigkeit von Organisationen im Vergleich zu Mitbewerber:innen erklären.

Entwicklung und institutioneller Hintergrund


Im Gegensatz zu anderen Führungsmodellen wird neurosoziale Führung nicht als Methode beschrieben, sondern als agiler Ansatz, der Prinzipien der Selbstführung, Menschenführung, Teamentwicklung und Unternehmensführung auf der Wahrnehmungs- und Verhaltensebene simuliert und optimiert. Der neurosoziale Führungsansatz wurde in der Zeit von 2013-2023 im Rahmen der Future of Leadership Initiative (FLI) entwickelt. Der Neurowissenschaftler Dr. med. Markus Deutschmann und der Leadership-Experte Sebastian Morgner haben diesen Ansatz maßgeblich formuliert.

Zentrale Hypothesen und Herleitung: Führung und soziale Hierarchien


Neurosoziale Führung basiert auf der Hypothese, dass Führungsverhalten einen signifikanten Einfluss auf die Neurochemie und Neurophysiologie der beteiligten Personen ausübt und damit direkt auf die mentale und psychische Leistungsfähigkeit einer Organisation wirkt. Der Ansatz erklärt unbewusste Verhaltensweisen und Gruppendynamiken im Arbeitsalltag mit kognitiven Verzerrungen, die im Wesentlichen auf eine existenzielle Urangst zurückzuführen ist: aus einer Gemeinschaft ausgeschlossen oder an ihren Rand gedrängt zu werden.

Dabei basiert sie vor allem auf dem Phänomen der sozialen Hierarchien, das in den vergangenen Jahren wissenschaftlich untersucht wurde. Soziale Hierarchien beschreiben dabei die informelle Rangordnung, die sich im beobachtbaren Verhalten ergibt.

In der evolutionsbiologischen Entwicklung haben sich über Millionen von Jahren soziale Hierarchien als effektivste Organisationsform etabliert, um in einer Gruppe von Lebewesen das Überleben und die Fortentwicklung durch Kooperation zu sichern. Auch wenn sich die Menschheit sozial, kulturell und technologisch immens weiterentwickelt hat, sind Hierarchien weiterhin zentraler Bestandteil unserer sozialen Struktur.

Allerdings gelingt es einem sozial kompetenten Management, starre, autoritäre und abwertende Hierarchien in flexible, agile und wertschätzende Führungsstrukturen zu transformieren, ohne dass diese in unkoordinierte und desorganisierte Teilbereiche zerfallen. Inwieweit die Führungskraft in der Lage ist, sozial kompetente Führung zu etablieren, hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Produktivität der Mitarbeitenden, der Führungskraft selbst und auf die Profitabilität des Unternehmens. Darüber hinaus leistet sozial kompetente Führung einen signifikanten Beitrag zu unserer Gesundheitsökonomie, da erhöhte Stresslevel ein elementarer Risikofaktor für die Entstehung multipler körperlicher und psychischer Erkrankungen sind. 

Weiterhin prägt Führungsverhalten emergent die sozialen Dynamiken und damit die Unternehmenskultur. Diese wiederum entscheidet über das Reaktionsvermögen einer Gemeinschaft, sich an innere oder äußere Veränderungen anzupassen. Die Adaptivität an veränderte Umwelt- und Marktbedingung beeinflusst die Innovationskraft und damit die nachhaltige Leistungsfähigkeit.


Führungsverhalten prägt folgende sozialen Dynamiken,
die über die Anpassungsfähigkeit einer Organisation entscheiden


Umgang mit Konflikten:
wie ausgeprägt ist die psychologische Sicherheit, um Interessenkonflikte offen anzusprechen und transparent zu lösen?

Entscheidungsprozesse:
Inwieweit wird das kollektive Erfahrungswissen und die Gruppenintelligenz zur Problemlösung genutzt oder auf Basis von Einzelarbeit vorgegangen?

Status: 
anhand welcher Kriterien werden die Mitglieder einer Gemeinschaft bewertet und beurteilt. Welche Rolle spielen dabei äußere Statussymbole oder Persönlichkeitseigenschaften?

Die Verteilung von Macht:
Inwieweit ist die Entscheidungsmacht auf wenige Mitarbeiter konzentriert oder innerhalb der Organisation verteilt und delegiert.

Diversität:
inwieweit interessieren sich die Mitglieder einer Gemeinschaft für andere Perspektiven und Veränderungen oder werden durch unveränderliche tradierte Glaubenssätze und Traditionen zusammengehalten?

Normen:
welche Verhaltensnormen sind identitätsstiftend und werden von den Mitgliedern einer Gemeinschaft unbewusst befolgt, beispielsweise im Hinblick auf Kleidung, Pünktlichkeit und Kommunikation.

Identität:
welches Selbstverständnis und welche gemeinsamen Ziele verbinden die Mitglieder einer Gemeinschaft.  

Neurosoziale Führung bezeichnet die Fähigkeit, wirkungsvolle Gemeinschaften zu entwickeln und dafür soziale Dynamiken zu nutzen.


Soziale Dynamiken bezeichnen die Fähigkeit einer Organisation, sich an innere und äußere Veränderungen anzupassen.
Folgende soziale Dynamiken prägen insbesondere den Unternehmenserfolg:

 

Soziale Dynamiken Grafik

Ebenen der Neurosozialen Führung

Neurosoziale Führung setzt hierbei auf vier Ebenen an


Selbstführung:
nur wer als Person selbst mit Ungewissheit und Unsicherheit umgehen kann und trotzdem über einen starken inneren Kompass aus Werten und Zukunftsvorstellungen verfügt, kann in einer Führungsrolle Zuversicht und Klarheit ausstrahlen. Neurosoziale Führung hilft dabei, kognitive Verzerrungen wie die Verfügbarkeitsheuristik oder den Bestätigungsfehler zu erkennen und zu vermeiden. Der Ansatz nutzt die Psychoedukation, Instrumente der Selbstreflexion, der Visionsarbeit und mentale Verhaltensänderungsstrategien wie mentales Kontrastieren, Achtsamkeit oder den Behavioral-X-Ray, um Führungspersonen im Hinblick auf Selbstführung zu stärken.

Teamführung:
bei der Führung von Teams setzt der neurosoziale Führungsansatz auf eine systemische Betrachtungsweise, agile Abstimmungsformate und wissenschaftlich analysierte psychologische Faktoren für Teamleistung. Sie zielt darauf ab, kognitive Verzerrungen wie das Gruppendenken (Group Think), den Intragroup Bias oder den Authority Bias zu erkennen und auszugleichen. Der Team-Performance-Radar ermöglicht es, die Wahrnehmung aller Teammitglieder im Hinblick auf acht wissenschaftlich relevante Erfolgsfaktoren für leistungsstarke Teams transparent zu machen, Lücken zu erkennen und friedlich über die Optimierung der Zusammenarbeit in einen Dialog zu treten. So können die Teammitglieder ihren Stärken entsprechend eingesetzt werden und situativ in Führung zum Wohl des Teamerfolges in Führung gehen.


Menschenführung:
in einer Führungsrolle braucht man Vertrauenspersonen mit ergänzenden Stärken, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dabei muss man sich kognitiver Verzerrungen wie dem Halo-Effekt oder dem Dunning-Kruger-Effekt bewusst sein, um richtige Personalentscheidungen zu treffen und gute Arbeitsbeziehungen aufzubauen. Neurosoziale Führung nutzt Instrumente wie die Neuroampel, Mimik-Erkennung und psychologische Ansätze der Gesprächsführung, um eine Verständigung auf der Sach- und Zielebene, der persönlichen Ebene und der emotionalen Ebene zu bewirken.

Unternehmensführung:
auf der Ebene der Unternehmensführung fokussiert der neurosoziale Führungsansatz vor allem auf den Umgang mit Komplexität, die strategische Problemlösungskompetenz und die Aktivierung der Strategie im Arbeitsalltag. Dabei geht es darum, Verzerrungen bei der Analyse und Planung wie den Planungsfehlschluss zu umgehen, strategische Ideen gehirngerecht zu vermitteln und bei den Betroffenen ein tiefes, auch emotionales Verständnis, für den eigenen Beitrag zum Gesamterfolg zu schaffen. Dies geschieht vor allem durch einen Methodenmix aus Impulsen, Selbstreflexion, Austausch mit Peers und konkreter Zielearbeit.

Der Einfluss von Führungsverhalten auf neurobiologische Prozesse


Für die mentale und körperliche Leistungsfähigkeit an einem Arbeitsplatz spielt das Verhalten der Führungskräfte eine besondere Rolle. Da ihnen meistens Autorität zugeschrieben wird, über die Rolle von Menschen in einer Gemeinschaft zu urteilen, wird ihr Verhalten von den Mitarbeitenden besonders beobachtet und psychisch verarbeitet. Der Ansatz der neurosozialen Führung hypothetisiert, dass die individuelle Interpretation der Verhaltensweisen der Führungspersonen im Gehirn zur Aktivierung von Neurotransmittern und neuroaktiver Hormone führt, die dann ihrerseits über neurobiologische Prozesse den Körper und die Psyche in verschiedene Zustände versetzen. 

Der neurosoziale Führungsansatz identifiziert Schlüsselmomente im Führungsalltag, in denen Menschen in Führungsrollen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung und den Zustand von Mitarbeitenden und Geschäftspartner:innen haben. 

Diese „Momente der Wahrheit“ werden simuliert und Auslöser analysiert, die Menschen in bestimmte mentale und körperliche Zustände versetzen. 

Dabei dient die Neuroampel als ein wissenschaftlich fundiertes, aber für die Praxis stark vereinfachtes Werkzeug.


Sie nutzt bewusst vereinfachend vier Neurotransmitter als Metaphern für Zustände, die Führungsverhalten aktiv beeinflussen kann und welchen menschlichen Grundbedürfnissen beziehungsweise Urängsten entsprechen: 


Serotonin steht für das Bedürfnis von Menschen im Arbeitskontext, im Status Quo wertgeschätztes und gebrauchtes Mitglied einer starken Gemeinschaft zu sein. Wenn Menschen das Gefühl haben, von anderen respektiert und gebraucht zu werden, versetzt Serotonin sie in einen offenen, entspannten und aufmerksamen Zustand. In einer Führungsrolle kann man bei Mitarbeitenden dieses Gefühl stärken, indem Rollen und Zuständigkeiten klar verteilt sind, das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird und alle Mitglieder einer Gruppe Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihre spezifischen Rollen erhalten. 

Dopamin steht für das Bedürfnis von Menschen nach Orientierung, Belohnung und Fortschritt. Wenn Mitglieder einer Gruppe das Gefühl haben, auf einem guten Weg zu sein, und auf diesem Weg signifikante Kleinziele zu erreichen, sorgt Dopamin für Motivation, Zielorientierung und Fokus. Es aktiviert mentale und körperliche Leistungspotenziale und sorgt für Zukunftsoptimismus. In einer Führungsrolle kann man dieses Gefühl stärken, indem man den Kontext erklärt, eine ansprechende Vision von der Zukunft vermittelt und über klare, greifbare Ziele den künftigen Weg strukturiert und Orientierung gibt. Darüber hinaus ist es besonders wichtig, dass die individuellen Ziele des Mitarbeitenden mit den Unternehmenszielen für diesen Mitarbeiter im Einklang stehen.

Noradrenalin steht für Veränderung und das Heraustreten aus der persönlichen Komfortzone. Wird dieser Neurotransmitter aktiviert, bereitet sich der Körper auf eine akute Bewährungsprobe vor und setzt zusätzliche mentale und körperliche Energie frei. Die betroffene Person ist sehr auf den aktuellen Moment fokussiert. In einer Führungsrolle ist es wichtig, Mitarbeitende auch wachzurütteln, auf unbewusste limitierende Verhaltensweisen hinzuweisen und zu motivieren, etwas an ihrem Verhalten zu ändern. Dabei ist wichtig, ihnen gleichzeitig ihre Rolle und einen Weg in die Zukunft aufzuweisen, um Verwirrung und Verunsicherung zu vermeiden.

Cortisol steht bei der neurosozialen Führung für Distress, also das Gefühl, sich auf einen langen, entbehrungsreichen Kampf einrichten zu müssen. Dieser Neurotransmitter wird freigesetzt, wenn Menschen sich dauerhaft überfordert oder gefährdet sehen und keinen Ausweg aus der Situation erkennen. Es ist Aufgabe von Führungskräften ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Menschen nicht durch bürokratische Prozesse frustriert oder fehlende Ziele und Rollen irritiert werden und an sich selbst zweifeln.

„Menschen, die nach neurosozialen Prinzipien führen, verstehen es als ihren Auftrag, Führungspersonen, Mitarbeitende und Geschäftspartner:innen in einen „grünen“ mentalen Zustand zu versetzen – das bedeutet: Anreize durch ihr Verhalten zu setzen, die Serotonin und Dopamin aktivieren und kraftfressende Einflüsse mit Cortisol-Wirkung wo immer möglich zu reduzieren.“

Vorteile für Unternehmen


Einheitliche Führungsstandards
Wenn alle Führungskräfte ein gemeinsames Führungsverständnis teilen und die gleichen Werkzeuge nutzen, können Mitarbeitende sich auf konsistent gelebte Führung (Leadership as a Service) verlassen. Dies führt zu einer Stärkung der Unternehmenskultur und Verbesserung der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit.

Leadership Effectiveness:
Steigerung der Wirksamkeit von Führung durch Vermeidung von kognitiven Verzerrungen und Fehlentscheidungen und effektivere Kommunikation.


Attraktivität für junge Talente
Empathisches, kooperatives Leadership stellt für junge Talente ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl von Arbeitgebern und der Motivation dar.

Höhere Adaptivität der Organisation
Durch agileres Denken und größere Offenheit für Veränderungen.

Stärkere Innovationskraft
Durch Perspektivenwechsel und ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeitende sich ermutigt fühlen, Ideen auszusprechen, konstruktive Konflikte zu lösen und Eigeninitiative zu übernehmen.  

Kritik und Grenzen


Der neurosoziale Führungsansatz bietet kein in sich geschlossenes methodisches Modell an, das wissenschaftlich analysiert und validiert wurde. Vielmehr verbindet er fachübergreifend Erkenntnisse im Führungskontext und leitet daraus Hypothesen ab. Er basiert auf einer zehnjährigen empirischen Analyse, der 500 strukturierte Tiefeninterviews mit Senior Executives und Vordenkern im Bereich Leadership zugrunde liegen.

Dennoch zeigen Ergebnisse von Mitarbeitenden Befragungen, dass mit neurosozialen Vorgehensweisen das Verständnis der Strategie um bis zu +55% in 15 Monaten gesteigert und das Vertrauen in die Unternehmensführung sogar mehr als verdoppelt werden konnte.

Wollen Sie sich zum Thema Leadership Development und
neurosoziale Führung beraten lassen?